Sonntag, 29. Juni 2014

ISIS-Terror und Bürgerkrieg im Irak - Kurdistan wäre eine große Chance für die Region

Ist der aktuelle Krieg im Irak ein Religionskrieg und ist mal wieder "Der Westen" Schuld? - Die Wahrheit liegt dazwischen und ursächlich weitestgehend in niemals konsequent beseitigten Grenzen ehemaliger Kolinialmächte begründet. Ein Festhalten an diesen Grenzen wäre fatal, wohingegen eine Neustrukturierung der Region historische Chancen für Kurden und andere Minderheiten eröffnen würde.


Religionskonflikt - ja oder nein?

Man ließt dieser Tage viele Theorien aus vielerlei verschiedenen politischen Richtungen und Gruppierungen.
Oft wird im Hinblick auf den durch den Vormarsch der ISIS ausgebrochenen Bürgerkrieg von einem Religionskonflikt. Das stimmt aber nur teilweise.
Religion ist niemals wirklich die Ursache eines Konflikts oder einer kriegerischen Auseinandersetzung. Sie ist allenfalls Mittel zum Zweck und wird instrumentalisiert. Einen interessanten Ansatz hierzu findet man bei dem auf interkulturelle Didaktik spezialisierten Erziehungswissenschaftler Karl-Heinz Flechsig. Demnach ist die Vermittlung ethno- oder religionszentrierter Weltbilder oder Kulturvorstellungen immer Mittel zur Untermauerung von bestehenden Herrschaftsverhältnissen, die ohne Feindbilder nicht auskommen.
Wenn man den Konflikt im Irak und Syrien mit Kriegen im subsaharischen Afrika, z.B. im Kongo, Kamerum und Nigeria oder in den 1990ern in Rwanda, vergleicht, kommt man immer wieder auf die Ursache zurück, dass Grenzen enlang der alten englischen, französischen, belgischen, etc. Kolonialgrenzen gezogen wurden, statt Rücksicht auf tatsächliche ethnische und konfessionelle Gegenbenheiten zu nehmen. Während der bipolaren Weltordnung haben vor allem die USA und Großbritannien aber auch ein Stück weit die Sowjetunion durch die Unterstützung von Paramilitärs, Konterguerillas und Despoten ihr nötiges getan, um die Konflikte noch zu verschärfen. Ein anderes Beispiel dafür, beinahe vor der Haustür wäre Spanien unter Franco. Thatcher unterstützte die GAL, als Reaktion darauf gründete sich die ETA. Der Konflikt konnte erst durch die baskische Autonomie beigelegt werden.
Von einem Religionskonflikt zu sprechen ist angesichts der klaren Linien zwischen Sunniten und Schiiten nicht falsch. Sie stößt aber an ihre Grenzen 1.) berücksichtigt man die Rolle der Kurden, die zwar oft Êzidin oder Aleviten, aber mehrheitlich der sunnitischen Konfession angehörend aber dennoch Gegner der ISIS und 2.) führt man sich die Rolle der involvierten Regionalmächte ergo Unterstützterstaaten vor Augen. Hier kann die Situation im Irak keinesfalls losgelöst vom syrischen Bürgerkrieg betrachtet werden.


Schiiten, Sunniten und die Rolle der Regionalmächte

Die selben Terroristen, die jetzt im Irak auf dem Vormarsch sind, waren vorher über Jahre in Syrien aktiv. Finanziert und bewaffnet wurden und werden sie von Mitgliedern des saudischen Königshauses und finanzkräftigen Kreisen aus den Golfstaaten, während die Türkei ihnen, kommen sie oft mit den Flugzeug aus Afghanistan, Turkmenistan oder Tschetschenien in das Transitland zwischen Bosporus und Euphrat, die Grenzen öffnet, als Rückzugsgebiet dient und kostenlose medizinische Versorgung offeriert.
Als sie in Syrien einfielen, hatten sie es mit einem wirtschaftlich starken Land zu tun, in dem sie nachdem der Iran aktiv auf Seiten Assads eingriff, scheiterten.
Im Irak hatten sie leichtes Spiel. Das Land liegt wirtschaftlich und politisch nicht zuletzt aufgrund undurchdachten westlichen Agierens nach dem Sturz Saddam Husseins am Boden. Hinzu kommt mit Nuri Al-Maliki ein Präsident, von dem sich ein großer Teil der sunnitisch-arabischen Bevölkerung benachteiligt fühlt und gewillt ist, sich den Terroristen oder jedem der ihnen Besserung verspricht anzuschließen.
Dementsprechend schwach ist die Gegenwehr der irakischen Armee ausgefallen. Die iranische Intervention auf Seiten Al Malikis war vorprogrammiert. Die islamische Republik versteht sich als Schutzmacht der schiitischen Muslime. Dass Teheran angesichts der andauernden diplomatischen Spannungen mit Ankara und Riad nicht tatenlos zusehen würden, wie die sunnitischen Mächte ihre Einflußsphären bis an die Südwestgrenze Irans erweitern, war niemals auch nur ansatzweise unklar.
Die Rolle der Regionalmächte stützt auf den ersten Blick die These eines Religionskonfliktes. Bei genauerem Hinschauen sieht man aber deutlich, wie Religion instrumentalisiert wird, um Herrschaftsansprüche zu untermauern und auszuweiten.


Die Geister, die der Westen rief

Neben der These eines Religionskrieges, wird immer wieder die Schuld des Westens angeprangert.
Das eigentliche Problem liegt, wie bereits angesprochen tiefer, in der Grenzziehung. Genau hier liegen Ursprung und Berechtigung der Kritik am westlichen, insbesondere britischen und US-amerikanischen, Wirken. Wir haben es im Nahen Osten wie auch im subsaharischen Afrika mit den Grenzen entlang ehemaliger Kolonien zu tun, die ohne Rücksicht auf ethnische und religiöse Gegebenheiten gezogen wurden. Die militärische Intervention von 2003 hat die Instabilität verschärft hat, weil sie mit Rücksicht auf Bündnisse mit den Golfstaaten und der Türkei der Illusion aufsaß, also jenen Staaten, die heute der ISIS Support bieten, die Beseitung von Saddam Husseins Baath-Regime sei ausreichend, um Frieden und Demokratie zu bringen. Dass nach seinem Fall ethnische und religiöse Konflikte weiter bestehen und sich verschärfen war vorhersehbar, wurde aber ignoriert, extrem unterschätzt oder sogar bewusst in Kauf genommen. Oft wird sich die Frage gestellt, wie es denn sein könne, dass die sonst omnipräsenten Geheimdienste der USA und Großbritanniens den Vormarsch der ISIS nicht bemerkt haben. Die Erklärung dafür ist einfach, banal und bezeichnend zugleich. Selbst derart gut vernetzte Aufklärungsapparate sind auf Kooperationen mit regionalen Kräften angewiesen. Schaut man sich an, auf welche Partner in der Region gesetzt wird und führt man sich deren Interessen vor Augen, wird klar, wieso der Vormarsch lange Zeit unbemerkt oder unvermeldet blieb.


Keine Chance auf Frieden ohne freies Kurdistan

Es schon beinahe zynisch, wenn der britische Außennminister Hague den Fortbestand der "nationalen Einheit" des Irak fordert. Eine derartige "nationale Einheit" gab es nie wirklich. Die Geschichte des Irak ist geprägt von Machthabern die Spielbälle zunächst britischer (z.B. König Faisal II) und später US-amerikanischer Interessen in der Region waren (z.B. Saddam Hussein im Ersten Golfkrieg gegen den Iran von 1980 bis 1988).
Ein Zusammengehörigkeitsgefühl quer durch alle Volksgruppen, Religionen und Konfessionen gab es nie.
Die Lösung kann, wenn es denn eine gibt, nur nach dem Vorbild der Teilung des ehemaligen Jugoslawiens stattfinden. D.h. konkret eine Dreiteilung des Landes, was auch ein unabhängiges Kurdistan zur Folge haben muss.
Seit gut hundert Jahren waren die Kurden aufgrund eines nicht existenten
Für mich zeigt sich hier immer wieder, warum die Beschlüsse der Konferenz von Sèvres 1919 nicht zu Gunsten der von Lausanne 1923 hätten revidiert werden dürfen. Nun gibt es eine Zweite Chance eine kurdischen Staat. Zwar war 1919 lediglich eine Autonomie vorgesehen auf dem Staatsgebiet der heutigen Türkei vorgesehen. Fest steht aber; Wenn die Region jemals Stabilität erfahren soll, darf sie nicht ein zweites Mal ungenutzt bleiben!
Ein solcher Staat, in dem sunnitische, alevitische und êzîdîsche Kurden ebenso wie christliche Aramäer / Assyrer, Araber, egal ob muslimisch oder katholisch -ja, in der Region leben katholische Araber-, Turkmenen und Armenier gleichberechtigt nebeneinander leben können, würde die ganze Region ein großes Stück weit stabilisieren. Der Chef der kurdischen Autonomieregierung, Masud Barzani, hat eine gleichberechtigtes, demokratisches Miteinander bereits angekündigt und die Entwicklung der Kurdengebiete im Nordirak sowie in Nordsyrien zeigen, dass dieses Versprechen ernstgemeint und im Grunde genommen bereits realisiert ist. Kurden und Kurdinnen, denn die Gleichstellung der Frau ist ein zentrales Element der kurdischen Freiheitsbewegung, aller Religionen und Konfessionen dienen bereits in den Verteidigungseinheiten der YPG in Syrien sowie in der Peshmerga-Armee ebenso wie Angehörige christlicher Minderheiten, die oft die Kurden als Schutzmacht ansehen und sich aktiv in ihrem Freiheitskampf beteiligen. Die Offenheit gegenüber allen Konfessionen, Religionen und Volksgruppen der Region macht den oft verwendeten und negativ konotierten Begriff von "Kurdischen Nationalismus" unzutreffend.
Ein freies Kurdistan ist vielleicht kein Allheilmittel gegen alle Konflikte in der Region.
Es würde aber ein Staat entstehen, dessen Existenz wirtschaftlich, diplomatisch und militärisch ein drittes Gegengewicht zu den o.g. Regionalmächten dartellen würde. Ein positiver Nebeneffekt könnte des Weiteren darin bestehen, dass bei der Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen einem neuen Staat Kurdistan und Armenien die Türkei gezwungen sein könnte, nicht mehr weiterhin bedingungslos, wie bisher, den notorisch antiarmenischen Kurs des aserbaidschanischen Alliev-Regimes zu stützen. Wirschaftlich garantieren reiche Ölvorkommen Eigenständigkeit und die z.Zt gut 200.000 Mann starken Streitkräfte der kurdischen Peshmerga-Armee sind stark genug, um die Grenzen bis zu einer längst überfälligen Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft dauerhaft zu sichern.
Ein Festhalten an bestehenden Grenzen bedeutet eine neue Runde im alten Teufelskreis zu drehen. Dass weite Teile der deutschen Politik, wie u.a. Klaus von Dohnany in der letzten Junisendung 2014 bei Richard David Precht äußern, es müsse um jeden Preis an bestehenden Grenzen festgehalten werden, ist arrogant und absurd. Nur wenn mit dem Lineal gezogene Grenzen überdacht und neu verhandelt werden, können Konflikte und Kriege dauerhaft beigelegt und beendet werden, weil nur so ihre wirkliche Ursache angegangen werden kann. Solange man das im Westen nicht versteht, wird man sich den zurecht geäußerten Vorwurf des Neokolonialismus gefallen lassen müssen.
Es ist an der Zeit eine historische Ungerechtigkeit zu beseitigen, und die Gründung eines Staates für ein seit mehr als einem Jahrhundert und leider oft mit westlicher Hilfe unterdrücktem 40 Millionen Volk endlich als Chance für mehr Frieden und Demokratie in einer von Kriegen und Konflikten gebeutelten Region zu sehen.





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Montag, 9. Juni 2014

Kaffeefahrt zur Störung der Totenruhe........Mit UETD- und Diyanet Tours unterwegs in den Niederlanden...........Darum braucht ganz Europa das Schweizer Antirassismus Gesetz

Mai und Anfang Juni waren sehr ereignisreich.
Es gab zwei skandalös schlechte und diskriminierende Artikel des Nachrichtenmagazins Focus, eine erfreuliche Entscheidung des EMGR und vor allem eine Kaffeefahrt zur Störung der Totenruhe.


Kaffeefahrt nach Almelo mit (V)Erkaufsveranstaltung

Am 24.April 2014 wurde im niederländischen Almelo die größte armenische Genozidgedenkstätte der Europäischen Union eingeweiht.

Einweihung des armenischen Genoziddenkmals im niederländischen Almelo. In seiner Architektur ist es stark an Tsitsernakaberd in Yerevan angelehnt

Bei der Einweihung selbst noch konnte von wenigen dutzend unbelehrbaren Wirrköpfen gesprochen werden, die sich die Gelegenheit nicht nehmen ließen, ihren Rassenhass und ihre Unfähigkeit zu qualifizierter Reflexion über Geschichte zur Schau stellen zu müssen, wie man sie leider häufig bei Einweihung von Gedenkstätten und Mahnmalen findet.
Anders jedoch am Sonntag, den 01.Juni 2014. An diesem Tag wurde Almelo zum Ausflugziel von 4000 bis 5000 per UETD und Diyanet Tours kostenlos Reisenden. Beinahe zeitgleich wird in Deutschland eine Studie publiziert, dass Migranten den seit mehr als drei Generationen Deutschen immer ähnlicher werden. Dass diese Studie vom Vorhaben der beiden türkischen Verbände wusste und sie als Kaffeefahrt wertete, ist unwahrscheinlich aber möglich. Sieht man von ihrem Gratischarakter ab, so weißt das Unternehmen jedenfalls einige Parallelen zur klassischen Urform allen deutschen Tourismus auf.
Die Teilnehmer nutzten den Tag, um gemeinsam durch die Stadt zu marschieren, durch die Reiseveranstalter, die UETD (Union of European Turkish Democrats / Union Europäisch Türkischer Demokraten), ein verlängerter in ganz Zentraleuropa agierender Arm der türkischen Regierungspartei AKP, und die Diyanet, verlängerter Arm der türkischen Religionsbehörde, kostenlos per Bus aus allen Teilen der Niederlande, Belgiens, und Nordwestdeutschlands anreisen und verköstigt werden zu dürfen. Dabei lassen sie sich nicht davon stören, im Gegenteil sie hören dabei gerne den Rednern zu, die sie gegen den, nach ihrer Auffassung, armenischen Erbfeind mit einer Reihe von historischen Falsifikationen und inflationär ausgeschlachteten Dolchstoßlegenden einschwören. Dabei schwingen sie zahlreiche von den Veranstaltern zur Verfügung gestellte, bunte Fähnchen, zumeist die türkische Nationalflagge, aber auch Flaggen, die Sympathie zur panturkistischen Ideologie, die ein großtürkisches Reich vom Bosporus, über das Kaspische Meer und Zentralasien bis nach China hinein propagiert, ausdrücken. Wir haben es also, sieht man vom Kostenfaktor ab, mit einer Vielzahl von Merkmalen der klassischen Kaffeefahrt zu tun; die Busfahrt, die Fürsorge für das leibliche Wohl, Sightseeing in einer fremden Stadt und die von Anpeitschern und Rednern geleitete Verkaufsveranstaltung.
- Moment mal! Hat der Autor nicht eben noch gesagt, es sei nichts verkauft worden?
- Irrtum! Es fand kein klassischer Warenverkehr gegen gültiges Zahlungsmittel statt. Verkauft bzw. erkauft wurden jedoch sehr wohl die ideologischen Güter Nationalismus und Rassismus. Totalitäre Organisationen und Staaten fördern seit jeher die Entstehung und den Erhalt von klar definierten Feindbildern. Genau das und nichts anderes ist das Ziel der Veranstalter.

Bild von der Demonstration in Almelo: In altosmanische Trachten, türkische, aserbaidschanische und panturkistische Flaggen schwenkend jubelt die Menge den Rednern zu

Auf den wahrscheinlich von den Organisatoren vorgefertigten Transparenten wird "Hass" angeprangert. So versuchen die Organisatoren ihrer Gefolgschaft zu suggerieren, sie seien die Opfer einer armenoosch-niederländischen Provokation. Offenbar denkt keiner der Demonstranten darüber nach, wie absurd es ist, der Armenischen Gemeinde aufgrund der Nutzung einer Gedenkstätte für Opfer eines veheerenden historischen Verbrechens "Hass" vorzuwerfen. Ausgerechnet UETD und Diyanet erdreisten sich zur Erstellung solcher Plakate, sorgen sie doch selbst z.B. auf dem Friedhof der Berlinder Şehitlik-Moschee für die Verehrung von Architekten des selbigen. Nicht die Armenische Gemeinde von Almelo oder die dortigen Kommunalpolitiker, vielmehr Diyanet und UETD selbst sähen durch solche Transprente und mit ihren Rednern den Hass hinein in die unter einem Fahnenmeer versteckte Menge. Sie sind es, die Grundrechte missbrauchen, um eine Einschränkung der Grundrechte, Meinungs- und Religionsfreiheit, gegenüber der Armenischen Gemeinde zu fordern. Allein schon diese von der zwanghaften Aufrechterhaltung stereotyper Feindbilder, wie sie totalitären Regimen und Gruppierungen zu eigen ist, getriebene Doppelmoral spottet jeder Beschreibung.


„Wir haben sie einmal umgebracht und wir würden es wieder tun“

Die meisten Kaffeefahrtteilnehmer erleben also einen beschaulichen und von den großzügigen Ablegern ihrer Regierungsorganisationen gesponserten Sonntag; Busfahrt, Verköstigung, Völkermordsleugnung und Sündenbockpräsentation im „Rundum-Sorglos-Pakt“ des Veranstalters inklusive. Ansonsten verfahren sie im Nachhinein meist obrigkeitstreu nach dem Motto „Ohne meinen UETD- und Diyanet Tours sag‘ ich gar nichts“.
Die Hashtagsuche bei Facebook fördert aber auch Kommentare zu Tage wie „Wir haben sie einmal umgebracht und wir würden es wieder tun“, sodass man sich im Nachhinein doch irgendwo an die zwischen 1997 und 2003 von der NPD organisierten Aufmärsche gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ erinnert fühlt.


Störung der Totenruhe

Die Kaffeefahrtdemonstration fand in den Niederlanden unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit statt. Nach deutschem Recht wäre eine solche Veranstaltung in unmittelbarer Nähe zu einer Gedenkstätte jedenfalls mehr als fragwürdig, wenn nicht sogar strafbar, heißt es in § 168 StGb „Störung der Totenruhe“:
(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.
(3) Der Versuch ist strafbar.“
Gegen Absatz 2 wurde durch die Redner der Veranstaltung mehrfach verstoßen.
Allein dies sollte Anlass genug sein, diese beiden auch in Deutschland operierenden Organisationen, über die darüber hinaus immer wieder Beschwerden von armenischen, aramäischen, griechischen, alevitischen und jüdischen Verbänden vorgebracht werden, verstärkt im Blick zu behalten.
"


Die bagatellisierte Gefahr

Auch unter Vertretern alevitischer Verbände steht die Diyanet, unddie UETD ohnehin, in der Kritik. Hierzu möchte soll auf den Beitrag „Ditib: Schaden für die Integration“ BDAJ zur Diyanet von der Facebookseite des BDAJ Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland hingewiesen werden.
Auch das Nachrichtenmagazin Focus verharmloste jüngst türkischen Rassismus. Es stellt in seinem Artikel „Feindseligkeit unter Ausländern – Angriffe von Türken auf Kurden“ die Thematik so dar, als sei sie auf Gangstreitigkeiten zwischen Gangs unter Einfluß der türkisch-rechtsradikalen Grauen Wölfen und links gerichteten kurdisch geprägten Gangs beschränkt. Dabei wird mit Aussagen eines Buchautoren und ehemaligen Polizisten argumentiert, der sich nur ganz am Rande mit Thema beschäftigte. Dass aber mindestens alle autochthonen Minderheiten des türkischen Staatsgebietes betroffen sind, wird ebenso verschwiegen wie die der Einfluss des türkischen Staatsapparates und dessen Minderheitengeschichte. Außerdem geht der Focus nicht darauf ein, dass Mitglieder der Grauen Wölfe, deren Mitgliederzahl in den alten Bundesländern die aller rechts gerichteten Parteien deutlich übersteigt, auch oft zeitglich Mitglieder der o.g. Organisationen sind. Hier wird ein immer größer werdendes Problem durch eines der bedeutendsten Nachrichtenmagazine Deutschlands verharmlost und auf einen seiner äußersten Randaspekte reduziert. Wie groß die politische Sprengkraft der Thematik ist, zeigt sich in den aktuell sowohl in der CDU NRW als auch anlässlich der Anfeindungen seitens Ozan Ceyhun gegen Cem Özdemir in der SPD stattfindenden Debatten bzgl. der extremistischer innerparteilicher Aktivitäten von Mitgliedern türkischer Organisationen. Auch hier konnten sich bislang Aufklärer leider noch nicht gegen notorische Verharmloser durchsetzen.
Dass das Nachrichtenmagazin Focus zu den Verharmlosern des türkischen Rassismus gehört, sich aber andererseits nicht scheut eine inflationäre Kriminalisierung der Kurden zu betreiben, bewies es in seinem grotesk anmutenden, mit medizinischen Halbwahrheiten gespickten Artikel "Gift zum Blubbern".


Ein Schweizer Antirassismus Gesetz für ganz Europa

Ebenso steht die stattgegebene Revision der Schweiz gegen das umstrittene Urteil des EMGR zu Gunsten des türkischen Völkermordsleugnungsreisenden Doğu Perinçek im Juni 2014 auf der politischen Agenda.
Zwar lässt sich, wenn man die Demonstrationen nüchtern betrachtet zwar noch der positive Lichtblick erkennen, dass eine Teilnehmerzahl von zwischen 4000 und 5000 angesichts der angewendeten Lockmethoden sowie der Anzahl türkischstämmiger Migranten im Einzugsgebiet, alles andere als überwältigend ausfiel.
Jedoch wären 4000 bis 5000 Teilnehmer eines Neonaziaufmarsches – die Ausmaße solcher Veranstaltungen müssen angesichts der erläuterten Qualität und Zielsetzung der Veranstalter hier als Referenzgrößen gelten – überall in Europa als alarmierende Zahl zu bewerten. Das sollte auch geschehen. Nicht zuletzt darum, weil die Organisatoren von Politik und Presse immer wieder nicht nur geschont sondern sogar durch Artikel, wie dem angesprochenen aus dem Focus, indirekt unterstützt werden.
Solchen eindeutig rassistischen und totalitären Aktivitäten kann nur Einhalt geboten werden, wenn sie offensiv angesprochen, öffentlich verurteilt und justiziabel gemacht werden. Das Schweizer Antirassismus Gesetz darf nicht durch rassistische und xenophobe Missbräuche der Meinungsfreiheit gekippt werden. Vielmehr sollte es auch in der EU Schule machen.