Montag, 21. Oktober 2013

Rassismus und historische Unwahrheiten im Tatort (Münster) „Die chinesische Prinzessin“

Man musste schon zweimal hinhören und doch fragte man sich immer wieder: “Hat er das jetzt wirklich gesagt?“
Die Antwort lautete leider immer wieder „ja“.

Rassistische Sprüche wie „Ich mach dich zur Frühlingsrolle“ im Verhör gegenüber einem chinesischen Diplomaten oder plumpe diskriminierende Klischees wie „Können Sie bei der Gegenüberstellung überhaupt die ganzen chinesischen Gesichter auseinanderhaltenß", zogen sich wie ein grotesk anmutendes Leitmotiv durch den Tatort Münster, den die ARD am 21.10.2013 ausstrahlte.

Hinzu kommt, dass dem Zuschauer nicht ein einziger halbwegs repräsentativer chinesischer Mitbürger gezeigt wird, der in Deutschland beispielsweise als Historiker, Handwerker, Restaurantbesitzer, Dolmetscher, Student oder Geschäftsmann tätig ist und lebt.
Stattdessen werden plumpe Klischees von der chinesischen Mafia, den Triaden, zwielichtigen Diplomaten und einem omnipräsenten und skrupellos agierenden Geheimdienst bedient, deren Existenz einziger Zweck es ist sich gegenseitig zu bekämpfen und umzubringen.
Grotesk und geradezu dümmlich mutet es an, wie der in anderen Tatortepisoden sonst als typischer Antiheld eigentlich immer sympathisch-authentische Kommissar den diplomatischen Vertreter eines Staates, in dem Kampfsport Schulfach ist, mit einem „Bauchplattscher“ überwältigt.

Alle o.g. Tatsachen sind jedoch vergleichsweise Kleinigkeiten, über die wahrscheinlich das Gros der Chinesen im in In- und Ausland, in seiner kulturellen und sprachlichen Heterogenität, teilweise lächelnd, teilweise kopfschüttelnd, hinweg sehen würde.
Besonders schlimm und hier muss man schon eine geradezu propagandistische Intention unterstellen, ist die Geschichte um den ominösen USB-Stick, der Beweise enthalten soll, dass die chinesische Regierung uigurische „Terrorgruppen“ nach den Anschlägen des 11. September 2001 als Repressionsinstrument erfunden habe, und diese gar nicht existieren würden.
Man kann sich streiten, ob der Begriff Terrorgruppen nun angebracht ist, oder ob man es vorzieht die Terminologie Freiheits- bzw. Widerstandskämpfer zu verwenden.
Im Umkehrschluss müsste man dann aber bei diesem Thema ebenso die Klassifizierung von ETA, PKK oder IRA als Terrorgruppen vor dem Hintergrund der in allen Fällen erlittenen staatlichen Repressionen in Frage stellen.

China einen Vorwurf daraus zu machen den sog. „Kampf gegen den Terrorismus“ als Repressionsinstrument gegen Minderheiten zu missbrauchen, ist richtig, den die Unterdrückung der Uiguren, Christen und Tibeter findet in ungebührlichem Maße statt. Auf der anderen Seite aber hat die chinesische Regierung hier nichts weiter getan als eine Taktik bzw. Argumentation des sogenannten Westens kopiert, wo diese schon viel länger verfolgt wird.
China verhält sich hier nicht anders als auch die USA im Hinblick auf z.B. Guantanamo oder auch die EU im Hinblick auf ihre Terrorliste.
Fakt ist des Weiteren, dass uigurische Milizverbände bereits seit den 1950ern mit Unterstützung bzw. sogar auf Initiative der NATO ausgebildet werden.
Im Zuge der diplomatischen Krise unterstützte auch zeitweise die Sowjetunion in den 1960ern und 1970ern solche Gruppierungen und Verbände.
Ihre Ausbildungsstätten befinden sich heute in der Türkei, Pakistan und Afghanistan.
Dazu sei der am 17.05.2009 in der Neuen Rheinischen Zeitung erschienene Artikel „Unsere Medien und die Uiguren“ von Wolfgang Effenberger, empfohlen:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14015
„Unsere Medien und die Uiguren“ von Wolfgang Effenberger

Dass uigurischer Freiheitskampf / Terrorismus / Widerstand, man kann sich hier den Begriff je nach Präferenz im Grunde genommen aussuchen, da jeder von ihnen aus dem ein oder anderen Blickwinkel betrachtet zutrifft, wie im Tatort durch den Handlungsstrang mit dem USB-Stick, unterstellt eine Erfindung der chinesischen Regierung sei, ist jedoch blanker propagandistischer Unsinn, der an Zustände medialer Darstellung von „Reichen des Bösen“ aus dem Kalten Krieg erinnert.
Dem historisch und politisch weniger interessierten Zuschauer auf diese Art und Weise Sand in die Augen zu streuen, gibt dem Tatort eine politische Dimension, die man gemeinhin nur als historisch unhaltbare Propaganda und offenbar grob fahrlässige Desinformation der Zuschauerschaft, ja sogar als Beitrag zur Volksverdummung, bezeichnen kann.

Glänzt der Tatort Münster ansonsten durch sympathische Charaktere, markige Sprüche, einer guten Prise Selbstironie und Handlungen, die in einem regionalen Kontext erscheinen, so ist in der am Sonntag, den 20.10.2013 ausgestrahlten Episode der Versuch sich historisch und politisch hochkomplexen Sachverhalten anzunähern sang- und klanglos gescheitert und zu einer plumpen Rassismusfarce verkommen.

Letztendlich bleibt eigentlich nur der Dank an die chinesischen Mitbürger Deutschlands, dass sie dieses rassistische mit historischer Falsifikation gezündete Feuerwerk derart gelassen nehmen.
Eine solche Darstellung des Herkunftslandes manch anderer Minderheit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen würde aus nachvollziehbaren und verständlichen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu massiven Protesten der Zentralräte oder anderer Organisationen führen.

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